Interview Prof. Dr. Johannes Jäger – Homburg: Förderung der Allgemeinmedizin seit 2014

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Seit 2014 besteht das Zentrum für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Fakultät des Saarlandes.

Für die Einrichtung wurde damals ein Kooperationsvertrag zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland, welche das Kompetenzzentrum über insgesamt 10 Jahre mit 750.000 Euro unterstützt, und der Universität des Saarlandes abgeschlossen. Ziel der Kooperation ist es, durch die Verstärkung der Allgemeinmedizin an der Universität des Saarlandes junge Studierende für dieses Fach zu begeistern und damit die zukünftige hausärztliche Versorgung im Saarland zu sichern.

Seit seiner Gründung leitet Herr Prof. Johannes Jäger das Zentrum. Er berichtet über die Arbeit und die Bedeutung des Lehrstuhls.

Prof. Dr. med. Johannes Jäger - Zentrum für Allgemeinmedizin Homburg (Foto: KVS)
Prof. Dr. med. Johannes Jäger – Zentrum für Allgemeinmedizin Homburg (Foto: KVS)

Frage: Wie läuft die Lehre ab?

Bereits vor der Pandemie haben wir eine hybride Lehre realisiert, d.h. wir mischen online-Inhalte (Vorlesungen, Podcasts) mit Präsenzlehre. Dabei üben wir typische hausärztliche Fertigkeiten und Kompetenzen mit Simulationspatienten. Wir haben mittlerweile einen großen „Pool“ von Schauspielern, mit denen wir die Simulation von Krankheitsbildern üben. Diese Schauspieler helfen uns auch bei Kommunikations-Trainingsseminaren, in denen wir schwierige Patient-Arzt-Situationen üben (z.B. „talking about bad news“, oder „Umgang mit „schwierigen“ Patienten“, oder auch „Kommunikation mit Patienten aus anderen Kulturkreisen“). Für unsere Lehre konnten wir einen Kooperationsvertrag mit AMBOSS abschliessen, und auch das IMPP unterstützt uns bei unseren Prüfungen mit den IPads. Weitere Seminare üben z.B. die sog. kleine Chirurgie oder auch die Sonografie in der Hausarztpraxis. Unsere Lehre erzielt bei den Evaluationen durch die Studenten stets beste Noten und wurde letztes Jahr auch als das beste Lehrprojekt aller Medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum durch die GMA prämiert.

Es ist für mich sehr wichtig, dass wir versuchen, den Studenten das Fach Allgemeinmedizin sehr früh nahezubringen. Deswegen bieten wir bereits in den ersten beiden vorklinischen Semestern ein besonderes Wahlpflichtfach an: „Wie geht Hausarzt?“. Es soll ein „Appetizer“ sein für Studenten, die frisch vom Abitur auf die Uni kommen und im „trockenen“, vorklinischen Studium bereits Lust auf den Kontakt zu Patienten haben und in der Allgemeinmedizin schnuppern möchten. In kleinen Gruppen üben unsere Studierenden klinische Untersuchungstechniken und Anamnese.

Der Kurs wird mit einem OSCE abgeschlossen (Objective Structured Clinical Examination), also einer klinisch-praktischen Prüfung unter Simulationsbedingungen. Dabei durchlaufen die Studenten im Zeittakt von 7 Minuten sechs Stationen mit klinisch-praktischen Aufgaben. An jeder Station werden bestimmte Punkte abgeprüft, zum Beispiel auch der Umgang mit dem (Simulations-)Patienten: wie ist die Kontaktaufnahme, ist Augenkontakt da, wird dem Patienten die Hand gegeben (vor Corona…)? Wie wird mit Patienten umgegangen? Ist es empathisch oder nicht empathisch? Wird klinisch strukturiert untersucht?

Zusätzlich haben wir noch ein anderes Wahlpflichtfach für die klinischen Studenten, es heißt „Selbstständigkeit und Niederlassung“. Hier haben wir Banker oder Vertreter aus dem Versicherungswesen eingeladen, auch die KV nimmt regelmäßig teil. Themen sind zum Beispiel „Wie finanziere ich meine Praxis?“. Das Seminar ist aber nicht speziell nur für Hausärzte. Ich werde ja nicht nur von den Hausärzten finanziert, sondern von der gesamten KVS und verstehe deshalb auch meine Aufgabe und Verantwortung darin, dafür zu sorgen, dass ich natürlich auch etwas tue für den Nachwuchs der anderen Facharztgruppen. Da ist zum Beispiel das Thema „Wie mache ich mich selbstständig? Wie lasse ich mich nieder?“ eine Aufgabe, die ich mir gerne zu Herzen nehme, nicht nur speziell im Bezug zur Allgemeinmedizin.

Frage: Warum ist der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin aus Ihrer Sicht wichtig?

Generell ist es schwierig, junge Menschen dazu zu bringen, sich in der Medizin für den Beruf des Hausarztes zu entscheiden. Zusätzlich möchten wir natürlich auch erreichen, dass wir speziell hier im Saarland mehr Hausärzte bekommen. Das ist nicht einfach. Denn wir wissen natürlich, dass die, die im Saarland bleiben, vorwiegend die sind, die aus dem Saarland stammen.

Ein Großteil der Lehre findet in den Praxen statt. Da brauchen wir die Kolleginnen und Kollegen „draußen“. Und die Kollegen müssen mit ihrer Arbeit die Studenten überzeugen und müssen auch überzeugen durch ihr Vorbild. Das ist ein ganz großes Thema, was gerne vergessen wird. Denn es reicht nicht aus, einfach nur Werbung zu machen für irgendwas, wir müssen auch zeigen, dass wir das wirklich möchten. Dass wir Nachwuchs brauchen.

Das möchten wir unterstützen und koordinieren.

Frage: Was möchten Sie den Studierenden vermitteln?

Mein eigener Weg war nicht geradlinig, er ging nicht direkt in die Allgemeinmedizin. Ich wollte zunächst Augenarzt werden und habe deswegen mein PJ auch in der Augenheilkunde gemacht. Da habe ich dann gemerkt, dass mich das Ganze interessiert hat und nicht bloß die Augen. Nach dem Studium war ich zunächst in der Chirurgie. Nach einem Jahr habe ich aber in die Innere Medizin gewechselt. Danach war ich in einer großen Praxis Weiterbildungsassistent. Im ersten Schritt war ich allerdings von der vielen Arbeit erschlagen und ging zurück ins Krankenhaus. Nach einem weiteren Jahr in der Klinik und einem Junggesellen als Chef, habe ich beschlossen, dass, wenn ich schon jeden Abend bis zum zehn arbeiten muss, dann lieber in der eigenen Praxis. Also zusammenfassend: Der Weg ist nicht immer gradlinig. Lasst den jungen Leuten die Freiheit, ihren Weg zu gehen und zu entscheiden, was sie möchten. Das ist mein Credo und das möchte ich vermitteln.

Der Lehrstuhl bietet ein spezielles Programm für die Medizinstudierenden der Landarztquote an; können Sie uns mehr zu Idee und Umsetzung des Programms erzählen?

Das Zentrum Allgemeinmedizin versteht sich als das Zuhause derjenigen Studierenden, die über die sog. Landarztquote einen Studienplatz an der Med. Fakultät in Homburg bekommen haben. Wir sehen hochmotivierte, fleißige und sozial kompetente junge Frauen und Männer, mit denen es viel Spaß, die Lehre neu zu erfinden. In unserem „LASS – Landarztstudium Saar“ Programm werden sie von Frau Henriette Wolf betreut, die ihre exzellenten Kenntnisse und Fähigkeiten bereits in den Dienst des Kompetenzzentrums Weiterbildung stellt und täglich beweist. Wir bieten regelmäßige Treffen zum Meinungs- und Gedankenaustausch unter unserem Dach an, verbunden mit speziellen Fortbildungen, die zum Ziel haben, den zukünftigen Kolleginnen und Kollegen die bestmöglichste Vorbereitung für ihre spätere Tätigkeit zu geben. Bildlich sind diese jungen Leute die edelsten Tropfen in unserem Weinkeller….

Frage: Welchen Rat würden Sie jungen Kolleginnen und Kollegen geben, die sich als (Haus-)Arzt im Saarland niederlassen möchten?

Es gibt nicht einen Rat, es gibt ein Bündel von Ratschlägen. Und der erste Rat von mir ist immer: Sie sollten Ihre Weiterbildungszeit nicht in der kürzest möglichen Zeit absolvieren. Suchen Sie sich gute Lehrer aus, suchen Sie sich gute Vorbilder raus. Suchen Sie sich gute Lehre raus. Nehmen Sie sich so viel Zeit, bis Sie das Gefühl haben, Sie haben das Rüstzeug selbstständig zu sein. Ich bin gegen das Lernen und Studieren in der Mindestzeit. Man kann nie zu viel wissen und können.

Das zweite ist: Schauen Sie zu, dass Sie jemand haben, der Sie berät, wenn Sie in die Praxis gehen möchten. Dass Sie Kolleginnen und Kollegen haben, die Ihnen zur Seite stehen. Man ist oftmals ganz allein. Bei mir ist da auch so gewesen. Natürlich kann man die KV fragen, aber man braucht auch jemand in persönlichen Dingen

Das dritte wäre – ganz, ganz wichtig – sorgen Sie dafür, dass es neben der Medizin noch andere wichtige Dinge in Ihrem Leben gibt, die Sie mit Nachdruck verfolgen. Denn ich glaube, Unzufriedenheit und Burnout entspringt vor allem daraus, dass man versäumt hat, das zu tun. Es muss etwas geben, für das man sich begeistern kann – neben der Medizin.

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