Dr. Hana Seuren, Fachärztin für Allgemeinmedizin, ist seit 2022 in Wadgassen-Differten als Hausärztin niedergelassen. Sie führt aktuell eine Einzelpraxis, die „emi Hausarztpraxis“ mit vier Angestellten – davon arbeitet eine in Vollzeit, die anderen sind Teilzeitkräfte mit 20 – 30 h/Woche. Zusätzlich eine Auszubildende, die aktiv in die Praxis gewechselt hat.
Alle Mitarbeiterinnen, die neu in der Praxis angefangen haben, sind Mütter. Deshalb legt Hana Seuren besonderen Wert auf stimmige Arbeitsbedingungen und flexible Arbeitszeiten – alle Kolleginnen, die Kinder haben, arbeiten nur an einem Nachmittag.
Bei der Einrichtung der Praxis hat sie gezielt darauf geachtet, alles funktional einzurichten, gleichzeitig aber einen „Wohlfühlort“ für ihre Mitarbeiter*innen, sich selbst und ihre Patient*innen zu schaffen. Warum Investitionen in ihr Personal für sie elementar sind, und was das mit Wertschätzung zu tun hat, erzählt sie im Interview.
Dr. Hana Seuren
Wie ist die Praxis gestaltet?
Ich habe eine Praxis von meinem Vorgänger übernommen, bin aber in neue Räumlichkeiten gezogen. Ich wollte selbst einen Wohlfühlort, an dem ich gerne arbeite, denn ich bin den ganzen Tag hier. Die Chance und das Entgegenkommen des Apothekers vor Ort, diese Räume zu beziehen, hat mir schon bei der Renovierung die Möglichkeit gegeben, mein ganzes Konzept unter den Aspekt „Wohlfühlen am Arbeitsplatz“ zu stellen.
Ich bin Halbjapanerin, habe eine persönliche Vorliebe für japanische Einrichtungskultur, das sieht man auch. Das Design ist in Kooperation mit einem örtlichen Architekturbüro entstanden. Ich bin ehrlich gesagt völlig „unbedarft“ an die Gestaltung rangegangen. Ich habe zwar ein Haus gekauft und gestaltet und mag Räume und Konzepte, und habe persönliche Neigungen, aber ich bin Ärztin und keine Innenarchitektin. Ich habe mit den Innenarchitektinnen gesprochen und gesagt, dass ich gerne japanische Elemente in meiner Praxis hätte. Die Architektinnen haben sich sofort für diese Idee begeistert, es war ein mega-motiviertes Team, das sich mit mir ausgetauscht und versucht hat, auf alle meine Wünsche einzugehen. Ich mag es, wenn Menschen sich so für ihre Arbeit begeistern.
Wir haben auch ein Nachhaltigkeitskonzept, zum Beispiel mit Möbeln aus recyceltem Material.
Durchdacht vom Empfang bis zu den Personalräumen
Wartezimmer in der emi Hausarztpraxis in Differten mit Blick auf den Empfang (Foto: Dr. Hana Seuren)
Den Empfang habe ich so ausgerichtet, wie ich es für die MFA praktisch fand und um dem Datenschutz gerecht zu werden. Wir haben zwar einen offenen Wartebereich, aber einen abgegrenzten Empfang, an dem man auch mal die Tür schließen kann. So haben die Kolleginnen den Überblick über die Patient*innen und es ist trotzdem noch der „Dorfmittelpunkt“.
Am Empfang sitzen die Teammitglieder erhöht, das Podest wurde extra gebaut. Das hängt auch damit zusammen, dass ich hier nur Frauen sitzen habe. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass Patient*innen auf meine Kolleginnen runterschauen. Ich glaube einfach, das hat mit Wertschätzung zu tun: wenn man auf Augenhöhe sitzt, spricht man auch auf Augenhöhe. Insgesamt ging es viel um Perspektivenwechsel. Ich habe mein komplettes Team eingebunden, ich habe sie mitgenommen und gesagt, schaut es euch vorher an, sagt mir, was ihr haben wollt. Deswegen ist z.B. auch die Lehne zur Abtrennung des Wartebereiches hoch. Die Patient*innen müssen aktiv aufstehen um die MFA zu sehen, aber sie können nicht die ganze Zeit meine Kolleginnen bei der Arbeit beobachten.
Sie scheinen auf Details zu achten?
Das wird auch von den Patient:innen so wahrgenommen. Ich habe vor allem praktisch gedacht: Ich bin Hausärztin, da geht es auch um psychische Dinge. Ich habe zum Beispiel Patient*innen mit Panikattacken, die möchten, dass die Tür nicht hinter ihnen zugeht. Ich selbst mag, dass es offen ist und ich sehe, wo die Leute hingehen. Ich bin eine Prozessoptimiererin.
Natürlich wäre es einfacher für mich gewesen, in den alten Praxisräumen zu bleiben. Aber dort waren die Räumlichkeiten nicht barrierefrei und die Abläufe für mich nicht optimal.
Funktionsräume in der emi Hausarztpraxis, Differten (Foto: Dr. Hana Seuren)
Sprechzimmer in der emi Hausarztpraxis, Differten (Foto: Dr. Hana Seuren)
Sie haben die Räumlichkeiten auch an die Bedürfnisse Ihres Personals angepasst?
Mir war zum Beispiel der Pausenraum ganz wichtig. Ich möchte, dass alle im Team eine ordentliche Pause machen können. Das merkt man selbst, wenn man die eigene Pause in der Praxis verbringt und nicht in der Nebenstraße wohnt und in der Pause sowieso nach Hause geht.
Ein Teil meiner Kolleginnen ist von weiter weg, das heißt sie müssen ihre Pause hier machen. Wie bei jeder Party ist die Küche der Ort, an dem sich alle aufhalten, deshalb habe ich beim Umbau der Praxis Wert daraufgelegt, dass dieser Raum ausreichend groß ist.
Küche in der emi Hausarztpraxis, Differten (Foto: Dr. Hana Seuren)
Zusätzlich gibt es hinter der Anmeldung einen Extraarbeitsplatz für diejenigen, die gerade nicht am Empfang sitzen oder Büroarbeiten machen. Praktikant*innen können dort sitzen. Wir alle können, wenn es nötig ist, unsere Kinder mit in die Praxis bringen. Auch sie haben hier Platz, es ist völlig unkompliziert. Die Patient*innen kennen das schon und finden es gut. Das jüngste Kind ist 2 Jahre alt, das älteste ist 8 Jahre alt.
Ruhebereich, der auch bei Bedarf zur Kinderbetreuung dient, in der emi Hausarztpraxis, Differten (Foto: Dr. Hana Seuren)
Wir haben auch einen Duschraum. Meine PJlerin nutzt ihn, da sie in der Pause ins Fitness-Studio fährt, mit dem Fahrrad. Das ist für mich Work-Life-Balance.
Was ist Ihr Geheimnis bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe?
Bei der Neugestaltung/ -planung konnte ich überlegen: welche Abläufe will ich haben, wie will ich die Räumlichkeiten aufbauen, wieviel Personal brauche ich.
Ich habe dafür gesorgt, dass alle ein Headset haben, damit sie sich nicht am Telefon den Hals verdrehen müssen. Wenn mir z.B. eine Kollegin mit HWS Problemen eine Woche ausfällt, weil sie am Telefon schief sitzt, ist es für mich ein Abwägen, was diese Woche und was mich die Telefonanlage mit den Headsets kostet.
Bei der Praxissoftware setze ich auf das System eines Anbieters, das selbsterklärend und browserbasiert ist. Das erspart komplizierte Einarbeitung und ich selbst kann auch zuhause arbeiten und am Wochenende den „Papierkram“ abarbeiten. Auch das betrifft dann die Work-Life-Balance. Ich habe kleine Kinder, ich kann sie nicht jedes Wochenende einpacken und hierherbringen.
Mir war es wichtig, einen zuverlässigen IT-Support zu haben. Das ist der Bereich, von dem ich als Ärztin die wenigste Ahnung habe. Die Telefonanlage ist zum Beispiel ins PVS integriert, da können Telefonnummern hinterlegt werden, dass die Patient*innen schon „aufploppen“, wenn ich sie anrufen muss.
Über die Telefonanlage kann man online Rezeptbestellungen ermöglichen. MFA haben eine hohe Belastung, sie ist aber ungleichmäßig verteilt. Es gibt Spitzenbelastungen, aber auch Phasen, in denen es ein bisschen ruhiger ist und in denen die Bestellungen dann abgearbeitet werden können. Das bedeutet, dass diese ganzen Rezeptanforderungen dann nicht montags morgens um halb zehn sind, wenn die Patienten Schlange stehen. Ich nehme also von diesem Grundstress etwas raus und verschiebe das in die patientenfreie Zeit. Das kostet mich ein bisschen mehr Ressourcen. Natürlich kann ich von meinem Personal verlangen, dass sie alles gleichzeitig machen, aber wie lange machen die das?!
Natürlich hat das alles einen höheren Anfangsinvest und es sind bei der Planung vielleicht drei Schritte mehr, zusätzlich hat man – geringe – monatliche Kosten, aber es ist Zeitersparnis. Wenn dafür meine Kolleginnen entlastet sind, habe ich die Kosten schon raus. Mit durchdachtem technischen Support kann ich vielleicht sogar eine halbe MFA einsparen. Man muss sich mit diesen Themen beschäftigen und prüfen, was sinnvoll ist.
Ich habe eine Diktiersoftware, die kostet mich 80 Euro im Monat, aber, wenn ich damit zwei Arbeitsstunden im Monat spare, habe ich das raus. Perspektivisch möchte ich noch eine junge Kollegin oder einen Kollegen dazu nehmen, die/der in die Praxis einsteigt, dann werden die Kosten ja auch geteilt.
Ich habe eine Homepage, man kann bei mir online Termine machen, man kann bei mir Videotelefonie machen. Das hätte ich alles nicht gebraucht, ich habe eine Landarztpraxis und der Landarztmangel wird kommen. Aber diese digitalen Angebote entlasten mich und mein Personal und sind ein schöner Service für meine Patient*innen. Es erleichtert das Arbeiten!
Sie haben gesagt, sie sehen immer das Team als Ganzes. Worin äußert sich das?
Ich sehe uns alle gemeinsam als Team. Ich komme nicht aus einer Arztfamilie, meine Mutter ist Altenpflegerin, ich habe lange in der Gastronomie gearbeitet. Ich kenne Menschen und ihre Bedürfnisse, weil mich das einfach interessiert. Mit etwas Perspektivwechsel fällt es mir nicht schwer, Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden zu verstehen. Dazu zählt aber, dass man sich die anhören muss. Da ich also keinen Ärzte-Background habe, fällt mir dieser andere Blickwinkel vielleicht leichter. Ich sehe das Ganze auch unter dem finanziellen Aspekt: Personalwechsel eines der teuersten Sachen sind, die man sich leisten kann und viel emotionale Kapazitäten kostet. Der Markt wird eng werden an MFA, aber ich hatte keine Probleme Mitarbeiterinnen zu finden.
Ich überlege immer, welche Arbeitsschritte wir verbessern können. Ich setze mich einmal pro Woche mit meiner Erstkraft zusammen und wir überlegen, welche Schritte wir kurzfristig und langfristig machen können. Wir machen einmal pro Woche eine Besprechung im Team, wo wir Prozessoptimierung im Kleinen versuchen, z.B. rausfinden, was nicht gut funktioniert hat und wie wir das lösen können. Wir besprechen auch strategische Sachen, z.B. sollen wir im Sommer nochmal eine Auszubildende nehmen. Es hilft mir nicht, wenn ich das allein entscheide, das Team muss das umsetzen, das kann ich nicht über deren Kopf entscheiden. Dann hilft nur Kommunikation und fragen.
Ich habe als Angestellte selbst nie Mitarbeitergespräche bekommen, aber es ist wichtig. Man erfährt die Bedürfnisse anderer Menschen nur, wenn man sie sich anhört. Als Ärztin/ Arzt wird man in Personalführung nicht ausgebildet.
Deshalb sind solche Seminare, wie das Praxisorganisationsseminar der KV so wichtig. Wir Ärzt*innen sind so wenig darin ausgebildet, dass wir nicht einmal wissen, dass es die Notwendigkeit gibt.
Also „verwöhnen“ Sie Ihre Mitarbeitenden?
Nein, aber man kann nicht die ganze Zeit auf Hochtouren fahren lassen, ständig unterbesetzt sein. Dann sind alle völlig ausgebrannt. Ich hatte im letzten Winter einen Krankenstand von einem Arbeitstag auf alle meine Mitarbeiterinnen! Und die meisten in meinem Team sind Mütter, d.h. inklusive Kinderkrankenscheine.
Ich halte mich jetzt nicht per se für eine supernette Chefin. Ich bin meistens ein netter Mensch, aber nur, weil ich Wert auf Work-Life-Balance lege, heißt das nicht, dass ich als Arbeitgeberin nicht anspruchsvoll bin und dass ich mein Personal verhätscheln würde. Aber ich möchte, dass mein Team gerne hierherkommt und gerne arbeitet.
Dinge, die gesundheitsförderlich sind, werden von mir deutlich besser unterstützt. Wir essen in der Praxis inzwischen häufig vegan. Wir haben immer Müsli hier, das zahle ich auch. Bei mir gibt es extra keine Tankgutscheine, aber ich finanziere z.B. der Kollegin, die in Schwalbach wohnt, was nicht unbedingt um die Ecke ist, ein Jobbike. Damit darf sie auch privat fahren. Damit macht sie auch ihre Hausbesuche.
Perspektivisch – das ist leider nicht fertig geworden, weil das Dach erst neu gemacht werden musste – werde ich eine begrünte Dachterrasse haben, wo ich in der Mittagspause Yoga anbieten möchte. Ich arbeite gerade an einem entsprechenden Konzept.
Ich möchte ein Highperformer-Team haben und ich möchte Arbeitsbedingungen haben, mit denen ich das sicherstellen kann und ich möchte keine Personalwechsel. Ich möchte sichergehen, dass alle kollegial und einsatzbereit sind. Ich habe tatsächlich ein bisschen mehr Personal als ich bräuchte, das liegt aber daran, dass ich ganz viele Aufgaben, die viele „Altärzt*innen“ noch selbst übernehmen, nicht selbst machen möchte und zeitlich auch nicht kann. Alles, was ich beruflich abgeben kann, hat auch betriebswirtschaftliche Gründe. Ich kann auch selbst nicht 70 – 80 Stunden pro Woche arbeiten. Ich weiß meine Ressourcen sind das knappste Gut in dieser Praxis, bis ich vielleicht perspektivisch jemanden dazu bekomme.
Also ist der Perspektivenwechsel am wichtigsten?
Auch. Ich habe natürlich die Perspektive einer jungen arbeitenden Mutter. Ich brauche auch für mich selbst die besten Arbeitsbedingungen. Das schlimmste ist, wenn der Kindergarten anruft und man das Gefühl hat, dass alles zusammenbricht. Ich habe keine Familie hier. Ich bin auch getrennt erziehend, das heißt, an den Tagen, an denen ich die Kinder habe, habe ich die Verantwortung.
In solchen Fällen, wenn dann der Kindergarten anruft, kommen die Kinder – auch die meiner Kolleginnen – hierher – wie schon erwähnt. Für Kinder ist das spannend, die wollen wissen, was die Eltern arbeiten. Ich habe nur Frauen im Team, d.h. alle kümmern sich. Das macht aber für mich den Unterschied, ob ich in Ruhe arbeiten kann oder nicht. Das gilt für uns alle in der Praxis. Die Patient*innen sehen das positiv und finden es unterhaltsam, wenn Kinder hier sind.
Was ist der Unterschied zwischen arbeitenden Frauen und Männern? Was bedeutet das bei der Work-Life-Balance oder der Umsetzung neuer Konzepte?
Ich möchte ein diverses Team haben, ich hätte gerne auch Männer. Frauen wissen gute Arbeitsbedingungen unter Umständen mehr zu schätzen. Weil sie wissen, dass alles zusammenbricht, wenn die Kinder nicht betreut sind.
Es gibt immer noch das Vorurteil, dass man als Frau nicht mehr leistungsbereit ist, sobald man Mutter ist und das stimmt nicht. Mütter sind leistungsbereit und vor allem leistungsfähig.
Ich glaube, man muss mutig genug sein am Anfang Dinge umzugestalten. Natürlich kosten die Konzepte zur Praxisoptimierung Geld. Aber wenn ich das auf die Jahre rechne, ist es nichts im Vergleich zum Verdienst und den Einsparungen.
Ich glaube, wenn sich in der neuen Generation Menschen Sachen einfach trauen und neu ausprobieren, dann kommen wir deutlich weiter. Teilzeit und Elternzeit wird zunehmend auch von Männern eingefordert und das zu Recht. Ich glaube nicht, dass Work-Life-Balance perspektivisch reine Frauensache sein wird.
Das klingt so einfach, aber wie ist das bei bestehenden Praxen oder Kolleginnen und Kollegen am Ende ihres Berufslebens?
Es gibt eine lange Liste an Dingen, die im System nicht gut laufen. Das schreckt viele vor Investitionen ab. Aber man muss sich manche Dinge einfach mal durchrechnen. Für Ärzt*innen, die ihre Tätigkeit in Kürze beenden wollen, ergibt es natürlich keinen Sinn, sich eine neue Praxissoftware anzuschaffen oder online Konzepte zu machen.
Was so viel Frust macht in der Medizin im Allgemeinen ist, wenn man sich mit „vermeintlich sinnlosen Sachen“ auseinandersetzen muss. Aber wenn man dann zum Beispiel Dokumentationshilfen hinterlegt, die Arbeitsschritte für das Personal erleichtern, dann sind das Investitionen, die sind ja im Nu bezahlt.
Ein Problem ist wahrscheinlich, dass viele Ärzt*innen ihr Personal nicht fragen. Und man muss die MFA vielleicht auch dazu auffordern, sich bestimmte Dinge selbst einzufordern. Ich habe oft gefragt, „wollt ihr das oder brauchen wir das nicht“?
Was macht die Praxisgestaltung schwierig? Beziehungsweise, was waren Ihre Fehler, aus denen andere lernen können?
Keine Vorbilder zu haben. Der Trend geht hin zu großen MVZ. Die Option hätte ich auch gehabt, als Zweigpraxis. Dann wäre ich angestellt gewesen, es wäre für mich persönlich wesentlich weniger Stress gewesen, vielleicht aber auch weniger Freiheit. Aber die Entscheidung hat mich Kraft gekostet. Wenn ich vorher gewusst hätte, wieviel Energie es kostet eine Praxis aufzubauen, würde ich es so nicht mehr machen.
Meine Erstkraft hätte ich letztes Jahr gebraucht, ich hatte aber keine Erstkraft. Es gibt echt eine lange Liste von Sachen, die ich so nicht mehr machen würde.
Von der KV hätte ich noch mehr aktive Unterstützung in Sachen Praxisorganisation gebraucht. MFA sind ja nur ein Thema. Ich habe immer konkrete Unterstützung bekommen bei konkreten Fragen. Aber man muss selbst fragen und diese Fragen sind einem selbst nicht immer offensichtlich, weil man ja nicht weiß, was man alles brauchen wird.
Dazu kommt, dass ich nicht aus dem Saarland bin, ich kenne hier noch wenig Kolleg:innen. Zusammengefasst: Ich hätte mich früher vorbereiten müssen, aber ich musste mich relativ spontan niederlassen.
Das ist das Problem: Die Attraktivität der Niederlassung steigt damit, ob man vorher das Gefühl hat, man managt es oder nicht.
Für viele andere Ärzt*innen sind meine Konzepte kilometerweit weg. Ich kenne viele junge Kolleg*innen, die sagen, ich mach das auf gar keinen Fall. Das halte ich aber für falsch. Ich glaube, der Vorteil ist die Art und Weise des Arbeitens, wenn das einmal in der Spur läuft. In 5 Jahren werde ich zurücklächeln und sagen, kein Thema. Ich hatte nie die Sorge, dass mein Konzept nicht funktionieren könnte, dass ich kein Personal finde, oder es nicht finanzieren kann. Die Frage war tatsächlich, ob meine Energie ausreicht, bis ich so stabil bin und ich an mein Personal die Sachen abgeben kann. Anfang des Jahres hatte ich eine Phase, da war ich ausgelaugt. Zum zweiten Quartal habe ich zwei Kolleginnen dazu bekommen, eine macht die Administration und ist da um mich zu entlasten.
Niemand streitet ab, dass viele Dinge im argen liegen, zum Beispiel, dass man manche Dinge, die Zeit kosten, nicht abrechnen kann. Mein Job ist, mich um Patient*innen zu kümmern und rauszufinden, wo so am besten aufgehoben sind. Es ist viel zeitaufwändiger rauszufinden, was los ist, als einfach irgendwelche Überweisungen auszustellen. Das erfordert aber zeitliche Ressourcen. Die Patient*innen zu beraten, das muss ich machen. Zu den Hausbesuchspatient*innen kann auch mein Personal fahren – eine MFA lässt sich jetzt zur NÄPA ausbilden – womit wir wieder bei gut ausgebildetem, motivierten Personal sind.
Junge Ärzt*innen, die sich niederlassen wollen, müssen wissen, was das bedeutet. Aber sie werden perspektivisch mit einer Niederlassung mehr Geld verdienen mit planbarerer Arbeit als im MVZ.
Wir haben einen tollen Job als Hausärzt*innen, aber wir brauchen gute Arbeitsbedingungen und dafür brauchen wir auch Personal.